Ich liebe meine Frau. Sie ist mit dem Fahrrad noch nie in den Bergen gewesen und jetzt schickt sie sich an, von Hamburg bis nach Windischgarsten zu radeln. Nein, das liegt nicht bei Pinneberg, sondern etwas weiter weg und zwar in Österreich. Genauer gesagt in Oberösterreich und noch genauer am unteren Ende, an der Grenze zur Steiermark, damit ist es also noch ein kleines Stück weiter weg. Macht nichts, schließlich haben unsere beiden Bakfiets Lastenräder auch einen keinen Elektromotor. Macht also doch was.
Ich liebe meine Frau. Sie ist deutsch, aber das ist nicht der Grund warum ich sie liebe. Es sind die guten alten und nur in Ehrfurcht gehauchten, deutschen Tugenden, die sie eindrucksvoll verkörpert und die mich staunend zurücklassen. Sie setzt sich etwas in den Kopf und zieht es mit einem bezaubernden, an Fertigungsstraßen erinnernden Takt um. In Wolfsburg machen die das auch nicht besser. JIT (just in time) und JIS (just in sequence): damit werden in der Industrie Abläufe bezeichnet, die makellos ineinandergreifen. Bei ihr steht JIT für “jegliche ineffiziente Tätigkeit” wird vermieden. Kein Wunder, bei zwei kleinen Töchtern im Alter von drei und einem Jahr. Die beiden kommen übrigens auch mit, selbstverständlich. Rosalie freut sich schon auf die Abenteuerreise, die Abende am Lagerfeuer und die Nächte im Zelt. Wir freuen uns darauf, dass es da draußen vielleicht eine Macht geben wird, die der Energie von diesem kleinen, nuklear betriebenen Früchten gerecht werden wird, dem Wind. Töchterchen Smillas Gespür wiederum, bezieht sich derzeitig auf Dinge die Rosalie nicht darf, aber dennoch macht. Mit chirurgischer Genauigkeit seziert sie diesen Schabernack der großen Schwester und schmeißt augenblicklich die Imitationsmaschine an. Darauf folgt meist ein “jetzt ist Schluss” (JIS) unsererseits und ein Dackelblick ihrerseits.
Ich liebe meine Frau dafür, dass sie mich liebt. Ich bin Österreicher und komme aus diesem kleinen Windischgarstener-Nest. Auch ich werde nicht nur aufgrund meiner Nationalität geliebt. Eher das Gegenteil ist der Fall, sind wir doch nicht immer voll kompatibel und bringen so unsere Eigenheiten mit. Positive wie auch negative. Über die negativen werde ich hier kein Wort verlieren, das kann Inga machen und Ihr eigenes Blog starten. Da sie gerade neben mir steht, gehe ich auf ein Beispiel ein. Angeblich bleiben Österreicher*innen nie an roten Fußgängerampel stehen, sondern laufen einfach über die Straße. Absurd! Positiv hervorzuheben sind auf jeden Fall Anpassungsfähigkeit und Wagemut. Beides braucht es für diese Unternehmung auch in großen Mengen. Ich werde das zweite Lastenfahrrad fahren und sowas wie der Packesel sein. Drei Gänge stehen mir zur Verfügung, um ca. 80kg Gepäck über 1000km zu transportieren. Sag ich doch, Wagemut!
Ich liebe meine Frau und ihren unerschütterlichen Optimismus. Sie meinte kürzlich, dass uns jetzt eigentlich nichts mehr dazwischen kommen kann und wir die Reise fast wie geplant Mitte Juni starten können! Oha, hatte ich fast vergessen zu erwähnen, wir befinden uns gerade in einer weltweiten Pandemie und alle Campingplätze und Grenzen sind dicht. Ich halte das wie Rosalie, wenn sie mal wieder versucht mit der Milchpackung zu jonglieren und vergessen hat sie vorher zuzuschrauben: “Ist nicht so schlimm Papa, wir können jetzt auch einfach ins Schlafzimmer gehen und du liest mir ein Buch vor”. In diesen Momenten bin ich besonders stolz auf sie, hat sie doch bereits jetzt dieses Universalvertrauen, dass am Ende schon alles gut werden wird und auch, dass Papa alles wieder sauber macht.