Rosalie ist unser Sonnenschein und Wirbelwind. Seit ihrer Geburt hat sie nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie genau weiß was sie will. Ihr Wille und ihr Selbstbewusstsein haben uns vom ersten Tag an tief beeindruckt. Sie ist die perfekte große Piratenschwester, da sie immer ein Auge auf Smilla hat. Sei es, wenn diese eine Beschützerin beim Spielen mit den älteren Kindern braucht oder wenn es um eine Komplizin geht, die ihr dabei hilft, das viel zu hohe Holzpferd zu erklimmen. Rosalie steht stets mit Rat und Tat zur Seite und ist sich für nichts zu schade. Sie hat den Schalk im Nacken und wir sind schon sehr auf ihre Streiche auf der Reise gespannt.
Wirbelwinde treten meist bei instabilen Wetterlagen auf, die Richtung kann also recht schnell drehen. Eben war noch alles friedlich und nun fegt ein Orkan durch die Luft. Vielleicht explodiert die Sockenfrage, da sich beim Anziehen die Naht um einen Millimeter neben die Zehenkante geschoben hat. Sie mag sich dann auch nicht helfen lassen. Ihr Puls steigt und da die Socken jetzt auch zusätzlich nicht mehr perfekt mit den Fersenknochen in der Waage sind, bricht ihre ganze Fassungslosigkeit mit der Wucht eines Schiffes, das auf ein Riff knallt, aus ihr heraus. Leider ist es da manchmal erst 5:23 Uhr morgens und das ganze Haus schläft noch. Schlief noch.
Meine Frau und ich sind immer wieder überwältigt von ihrer Energie & Kraft und blicken fasziniert auf die Intensität, mit der sich ihre Gefühle Bahn brechen. Pur und unbedacht, ohne vorher abzuwägen ob es angemessen oder angebracht ist. Wir sind absolut neidisch. Als Erwachsener wurde man “zurechtgeschliffen” und wägt ständig ab, egal ob Freude oder Trauer. Meist lässt man Emotionen nur gefiltert nach außen dringen und bekommt auch nur solche zurück.
Die Qualität von Eltern bemisst sich nicht nach den Regeln, die sie ihren Kindern vorgeben, sondern nach der Art der Reaktion, wenn diese Regeln gebrochen werden.
Jesper Juul
Rosalie liebt es überall hinaufzuklettern und gleich wieder herunterzuspringen. Große Höhen machen ihr nichts aus, so ist sie schon als Zweijährige auf dem Kinderspielplatz aus mehreren Metern in meine Arme gesprungen, nur um gleich wieder auf einem Baumstamm hinauf zu balancieren. Auch Zuhause in unserer Wohnung kann sie ihre wahre Natur nicht verbergen und rennt jeden Meter. Sie kann nicht einfach nur ins Bett “gehen”. Nein, sie sprintet, fliegt oder saust um die Ecke und klatscht das Bett wie nach einem Touchdown ab. Das Fensterbrett bietet ihr dann auch noch ein ideales Sprungbrett, um von weiter oben einige Sprungfiguren einzuüben. Sehr hilfreich, falls sie später einmal auf ihrem eigenen Piratenschiff jemanden über die Planken gehen lassen möchte und sich die verbliebene Crew dazu entscheidet, Haltungsnoten zu vergeben.
Wir lieben Rosalie und möchten ihrer einzigartigen Persönlichkeit Rechnung tragen. Daher versuchen wir, ihr so viele Freiheiten wie möglich einzuräumen und vertretbare Risiken zuzumuten. Das gelingt uns manchmal besser und manchmal auch nur schlechter. Als wir ihr das erste Mal von dieser Reise erzählt haben, war sie sofort hellauf begeistert. Am liebsten verbringt sie den ganzen Tag draußen und schlechtes Wetter kann ihr nichts anhaben. Gummistiefel machen ihr auch dann noch Spaß, wenn sie bis obenhin mit Matsch und Regenwasser gefüllt sind, kein Grund nach Hause zu gehen. Die besten Vorzeichen also für eine abenteuerliche Reise mit Nächten unterm freien Sternenhimmel. Zwei Bedingungen hatte sie jedoch, um endgültig ihre Zustimmung zu geben, dass sie mitkommt. Erstens will sie eine eigene Taschenlampe haben und zweitens möchte sie ihr eigenes Fahrrad mitnehmen. Forderungen, auf die wir sehr gerne eingehen. Die Taschenlampe hat sie bereits bekommen, leider war daran ein Kunststoffring befestigt, der genau die Größe ihres Zeigefingers hatte und ohne Olivenöl haben wir den Finger nicht mehr aus dem Ring bekommen. Irgendwie muss das Öl auch das Innere der Lampe in Mitleidenschaft gezogen haben, denn sie funktioniert seither nicht mehr. Ein paar Tage haben wir aber noch, um ihr eine neue Taschenlampe zu besorgen.
Auch ihr Fahrrad nehmen wir gerne mit. Es wird mit einem langen Spanngurt auf dem Lastenrad festgezurrt und sie kann damit jederzeit und nach Herzenslust immer wieder ein Stück neben uns her radeln. Insgeheim freue ich mich auch ein bisschen auf die Gesichter der Dauercamper, wenn Rosalie Anlauf nimmt, die Piratenklappe über das Auge schiebt und ihnen laut & schelmisch lachend und mit ordentlich Wumms über ihr präzise abgestecktes Campingrevier donnert.